Neji
Mit dem Begriff Neji /nɛd͡ʒi/ (für near-equal just intonation 'fast gleichstufige reine Stimmung') bezeichnet man eine Skala, deren Töne nahezu gleiche Abstände haben, aber deren Frequenzverhältnisse rational sind. Eine solche Skala wird aus einer Auswahl von Obertönen erzeugt, die aus dem Bereich n bis 2n stammen. Diesen Bereich nennt man auch Modus der Obertonreihe (z.B. entspricht n=4 dem Modus 4, 5, 6, 7, 8). Dabei ist die Zahl n die Nummer eines Teiltons, dem Wert 1 entspricht also immer die Grundfrequenz der jeweiligen Obertonreihe. Dabei ist es auch wichtig zu beachten, dass Nejis eine Art einer irregulären Skala sind: anders als reguläre Temperaturen oder MOS-Skalen besitzt ein Neji kein "Generatorintervall", das man übereinander schichtet und dessen Größe sich nicht ändert. Man ignoriert auch das Odd-Limit oder das Prim-Limit, wenn man ein Neji konstruiert.
Informell bezeichnet der Begriff "Neji" oft auch Skalen, die an andere Skalen mit irrationalen Frequenzverhältnissen (sowie MOS-Skalen) mit einer solchen Auswahl von Obertönen approximieren. Deshalb kann man möglicherweise von einem diatonischen Neji sprechen, oder einem 1L 6s-Neji, usw.
Wozu verwendet man Nejis?
- Vom Standpunkt der Melodie und der Modulation aus verhält sich eine Neji-Skala meist ähnlich wie die Skala, an die sie approximiert. Darum behält ein Neji praktisch alle Vorteile von EDOs bei. Aber die Klangfarbe eines Neji-Akkordes ist weniger rau als beim entsprechenden irrationalen Akkord (bei einem harmonischen Timbre). Dies ergibt sich daraus, dass ein Neji einen Teil der Obertonreihe bildet: bei einem Neji ist die Schwingung des Zusammenklangs periodisch, anders als bei einem irrationalen Akkord.
- Eine Neji-Skala bietet leichte Variationen in der Klangfarbe eines EDO-Akkords und den Tonartencharakteren bei verschiedenen Tonarten, wie eine wohltemperierte Stimmung.
Nejis spielen eine wichtige Rolle in der Primodalitäts-Theorie der Xenharmonie-Komponistin Zhea Erose. Doch Nejis müssen nicht nur dem Zweck dienen, "primodale" Musik zu komponieren.
Beispiele
Nehmen wir an, wir wollen eine (nicht so präzise, aber sehr konsonante) Neji-Annäherung an den diatonischen Modus Lydisch, mit 12-EDO-Werten 0¢-200¢-400¢-600¢-700¢-900¢-1100¢-1200¢. Dann bietet der Obertonreihen-Modus 14, d. h. die Teiltöne 14, 15, 16, 17, ..., 28 eine Möglichkeit: der Akkord 14:16:18:20:21:24:27:28 (als eine Tonleiter gesehen) approximiert an die lydische Tonleiter mit Cent-Werten 0¢-231¢-435¢-617¢-702¢-933¢-1137¢-1200¢. Ein weiteres Beispiel eines Lydisch-Nejis stellt 16:18:20:23:24:27:30:32 (aus den Teiltönen 16, 17, ..., 31, 32) dar, mit Cent-Werten 0¢-204¢-386¢-628¢-702¢-906¢-1088¢-1200¢.
Ein Beispiel für ein primodales 12-Neji (d. h. eine rationale Approximation an 12-EDO) ist die folgende "undezimale" Skala, die Zhea Erose in "Eurybia" verwendet: 22:23:25:26:28:30:31:33:35:37:39:42:44, mit Cent-Werten 77¢-221¢-289¢-417¢-537¢-594¢-702¢-804¢-900¢-991¢-1119¢-1200¢. (In Zheas Primodalitäts-Theorie heißt ein Neji oder ein reiner Akkord undezimal, wenn die Tonika den Prim-Teilton 11 darstellt. Man beachte, dass hier das Voicing eine Rolle spielt: wenn die Tonika dieser Skala, der 22. Teilton, um eine Oktave niedriger erklingt, wird sie zum 11. Teilton; siehe Primodalität.)
Tools zum Erzeugen von Nejis
- Die Software Scala hat eine Funktion "Approximate" > "Fit to harmonic scale", die sukzessive höhere und nähere Neji-Versionen der aktuellen Skala generiert.
- In ScaleWorkshop: "Modify" > "Approximate by harmonics", dann den gemeinsamen Nenner aller Frequenzverhältnisse (äquivalent: den Obertonreihen-Modus) eingeben.
Geschichte
Den heutzutage gebräuchlichsten Begriff "neji" prägte Zhea Erose, doch das zu Grunde liegende Konzept der Obertonreihen-Approximation war zuvor bereits von George Secor als quasi-equal rational tuning beschrieben worden.