Gebrochenzahlige Intervallvektoren
Wie auf der Seite Primfaktorzerlegung beschrieben, können Intervalle in reiner Stimmung, also mit rationalem Frequenzverhältnis, als Vektoren mit ganzzahligen Koeffizienten dargestellt werden. Der entsprechende Intervallraum ist, mathematisch gesehen, ein Z-Modul.
Es ist nun, wie wir gleich sehen werden, auch musikalisch sinnvoll, als Koeffizienten der Intervallvektoren nichtganzzahlige Werte zuzulassen.
Die Formel für das Frequenzverhältnis kann unverändert beibehalten werden, d. h. der Vektor | a, b, c > steht für das Intervall mit dem Frequenzverhältnis 2a * 3b * 5c.
Für den Vektor | 1/n, 0, 0 > ergibt sich das Frequenzverhältnis 2(1/n), also die n-te Wurzel aus 2 - und das ist nichts anderes als ein Basisschritt einer gleichstufigen Stimmung, von n-Edo nämlich.
Analog beschreibt der Vektor | 0, 1/13, 0 > einen Basisschritt der Bohlen-Pierce-Stimmung, und der Vektor | -1, 1, -1/4 > steht für den Wert, um den eine Quinte in der Viertelkomma-mitteltönigen Stimmung vermindert werden muss.
Der so erweiterte Intervallraum ist nun ein „echter“ Vektorraum auch im streng mathematischen Sinn, zum Körper Q der rationalen Zahlen, und mit ihm haben wir somit ein Instrument zur Verfügung, das die Beschreibung reiner Stimmungen, gleichstufiger Tonsysteme wie auch regulärer Temperaturen in einer gemeinsamen Sprache ermöglicht.
Rationale Intervallvektoren und reine Intervalle
Die von nichtganzzahligen Intervallvektoren beschriebenen Frequenzverhältnisse sind irrationale Zahlen, die entsprechenden Intervalle sind also keine "reinen" Intervalle. Doch bei rationalen Koeffizienten gibt es eine einfache Beziehung zu reinen Intervallen: jedes durch einen rationalen Intervallvektor beschriebene Intervall ist der n-te Teil eines reinen Intervalles (bzw., mathematisch: die n-te Potenz), wobei n das kleinste gemeinsame Vielfache (KGV) der Nenner der Koeffizienten des Intervallvektors ist. Das reine Intervall ist durch das KGV sogar eindeutig bestimmt.
Wenn als Koeffizienten des Intervallvektors nicht nur rationale, sondern beliebige reelle Zahlen erlaubt sind, gibt es diese eindeutige Beziehung nicht: dann kann jedes Intervall eine Potenz von jeder beliebigen Primzahl wie auch auf unendlich viele verschiedene Arten eine Kombination von Primzahlpotenzen sein.
Temperierte Stimmungen als Transformationen im Intervallraum
Temperierte Stimmungen können als Transformationen im rationalen Intervallraum beschrieben werden. Wenn v der n-dimensionale Intervallvektor eines reinen Intervalls ist, dann können wir den Intervallvektor des temperierten Intervalls schreiben als T(v), wobei T eine Abbildung des rationalen n-dimensionalen Intervallraums [math]Q^n[/math] auf sich selbst ist.
Die Abbildung T kann dabei theoretisch beliebiger Art sein, doch es ist sehr sinnvoll, sich auf lineare Abbildungen zu beschränken, also vorauszusetzen, dass [math]T(v1 + v2) = T(v1) + T(v2)[/math] gilt. Das ist nämlich nichts anderes als die Forderung, dass die Temperatur konsistent sein soll.
[To do Beispiel]
[To do Vals]
Eigenmonzos
Die Charakterisierung von musikalischen Temperaturen als lineare Abbildungen macht weitere Resultate aus der Theorie der linearen Algebra für die Musiktheorie nutzbar.
Ein Phänomen bei linearen Abbildungen T eines Vektorraums auf sich selbst sind Eigenvektoren, das sind Vektoren v, für die gilt:
[math]T(v) = \lambda * v[/math]
Der skalare Wert [math]\lambda[/math] wird dabei Eigenwert genannt.
Im Hinblick auf musikalische Temperaturen interessant sind namentlich Eigenvektoren mit den Eigenwerten 0 und 1. Eigenvektoren mit Eigenwert 0 sind die Elemente des Kerns der linearen Abbildung, wo sich alle von der Temperatur austemperierten Kommas befinden (d. h. austemperierten Kommas sind Eigenvektoren der Temperatur mit Eigenwert 0). Eigenvektoren mit Eigenwert 1 beschreiben Intervalle, die von der Temperierung unverändert gelassen werden, also rein gestimmt bleiben. Bei der viertelkomma-mitteltönigen Temperatur sind das etwa die Oktave 2/1 und die reine grosse Terz 5/4, bei der drittelkomma-mitteltönigen Temperatur dagegen Oktave und kleine Terz 6/5.
Eigenvektoren mit Eigenwert 1 werden auch als Eigenmonzos bezeichnet.